Wieder ein Erdbeben!

Immer wieder gibt es Erdbeben auf den Kanarischen Inseln. In der Regel liegen die Epizentren im Ozean zwischen Gran Canaria und Teneriffa, wo sich auf dem Grunde des Ozeans in einer Tiefe von 1.630 Metern der Vulkan Enmedio befindet.

Auch zwischen Gran Canaria und Fuerteventura grummelt es gelegentlich.

 

Am 29. Januar gegen 23 Uhr hat die Erde ganz bei uns in der Nähe gewackelt und dabei sogar eine bemerkenswerte 4 auf der Richterskala erreicht. Das Epizentrum dieses Bebens lag in einer Tiefe von 29 Kilometern unter dem beschaulichen Bergdorf Temisas zwischen Santa Lucía und Agüimes.

Ein Beben dieser Stärke kann man spüren, ohne dass mit Schäden zu rechnen ist. Bei uns in Maspalomas haben wir davon wieder einmal nichts mitbekommen, obwohl der Seismograph im Stadtviertel Meloneras eine 3 auf der Skala registrierte.

Erdbebenkarte aus April 2018
Erdbebenkarte aus April 2018

Normalerweise liegen die kanarischen Beben auf der Richterskala mit ihren Amplituden zwischen 2 und 3, wobei sich die Aktivitäten tief im Erdinneren abspielen und die Insulaner diese in der Regel überhaupt nicht wahrnehmen.

So wie das angenehme Klima gehören auch die geologischen Aktivitäten zu unseren Inseln dazu. Ein Grund zur Besorgnis ist das nicht.

 

Unsere Lage ist nicht vergleichbar mit den tektonisch sehr aktiven Zonen ums Mittelmeer (Italien, Griechenland, Türkei) oder auf dem Pazifischen Feuerring (z.B. Japan, Neuseeland, Kalifornien) bei denen es immer wieder zu schweren Erdbeben mit massiven Schäden an Mensch und Material kommt.

 

Die Erdbeben sind ein Anzeichen für vulkanische Aktivität. Steht uns etwa ein Vulkanausbruch bevor?

 

Angst vor einem Vulkanausbruch?

Wer sich die Insel einmal genauer anschaut oder in lobenswerter Eigeninitiative bereits einschlägige Reiseliteratur studiert hat, wird wissen, dass man auf Gran Canaria ohne Angst vor einem Vulkanausbruch leben kann. Die letzte Eruption hat vor rund 2.000 Jahren im Bandama-Krater vor den Toren der Inselhauptstadt Las Palmas stattgefunden.

 

Aber: Vulkanisch inaktiv ist unsere Insel deshalb nicht!

Vulkankrater "Los Marteles" auf Gran Canaria
Vulkankrater "Los Marteles" auf Gran Canaria

Im Jahre 2018 haben Vulkanologen anlässlich einer Studie zum geothermischen Potenzial der Insel nach Spuren vulkanischer Aktivität gesucht und sind im Norden und Nordosten der Insel fündig geworden. Der Vulkanismus verrät sich dort durch große Mengen an Kohlendioxid, das aus dem Gestein in die Atmosphäre entweicht.

2.500 Messungen in einem 605 Quadratkilometer großen Gebiet haben ergeben, dass hier täglich 5,8 Tonnen Kohlendioxid pro Quadratkilometer in die Atmosphäre entweichen. Daran ist bemerkenswert, dass Gran Canaria bei diesem Emissionswert über den vulkanisch  aktiven Nachbarinseln Teneriffa und La Palma liegt.

Vulkankrater "Pinos de Gáldar" auf Gran Canaria
Vulkankrater "Pinos de Gáldar" auf Gran Canaria

Letztendlich sind alle Inseln des Archipels in einem einzigen vulkanischen System miteinander verbunden. Unter der Erdkruste gibt es mehrere Magmablasen, die das geologische Geschehen aller Inseln beeinflussen.

 

Man kann die Sache auch so betrachten: Der Archipel ist ein einziger gewaltiger Seevulkan mit mehreren Kratern, von denen einige die Oberfläche des Ozeans durchstoßen und so die kanarischen Inseln bilden.

 

Der höchste dieser Krater ist der Teide auf Teneriffa, der damit auch gleichzeitig der dritthöchste Seevulkan unseres Planeten ist. Er erhebt sich vom Grunde des Ozeans rund 7.500 Meter in die Höhe und wird nur noch von den beiden Seevulkanen Mauna Kea und Mauna Loa auf Hawaii überragt, die beide auf rund 10.000 Meter kommen (genau genommen ist der Mauna Kea damit der höchste Berg der Erde).

 

Die immer wieder rund um die Inseln auftretenden Erdbeben deuten darauf hin, dass wir auf einem schlummernden Vulkan sitzen und das Thema noch nicht abgehakt ist. Der Zeitraum von 2.000 Jahren, in denen auf Gran Canaria kein Vulkan mehr gespuckt hat, ist in geologischer Dimension nichts weiter als ein Wimpernschlag. 

Blick von Gran Canaria aus auf den "Teide" auf Teneriffa
Blick von Gran Canaria aus auf den "Teide" auf Teneriffa

Dennoch sollte diese Nachricht nicht beunruhigen, da selbst beim „Worst-Case“ zu beachten ist, dass die kanarischen Vulkane recht friedliche und gemütliche Vertreter ihrer Zunft sind. Das beweisen einige gerade sehr aktive Exemplare auf den Nachbarinseln.

Hier brummeln und stinken beispielsweise die Vulkane von Tajogaite in der Cumbre Vieja von La Palma (letzter Ausbruch im Jahre 2021), der Teide auf Teneriffa (letzte Eruption im Jahre 1909) oder die Aktivitäten vor El Hierro (2012).

Das liegt vor allem daran, dass sich der kanarische Archipel immer weiter entfernt von der tektonischen Plattengrenze des mittelatlantischen Rückens. Mit gewaltigen, energiegeladenen Ausbrüchen ist nicht zu rechnen. Auch wenn der jüngste Ausbruch auf La Palma viel Zerstörung brachte und in seiner Ergiebigkeit und Dauer überraschte; gewaltige, explosionsartige Eruptionen und die extrem gefährlichen pyroklastischen Ströme gab es hier nicht.

Fazit: kein Grund zur Beunruhigung

Wir leben seit 13 Jahren auf der Insel und haben von den zahlreichen Erdbeben in diesem Zeitraum nur aus den Medien erfahren. Gespürt haben wir noch niemals etwas.

Diese Beben gehören zum Alltag. Sie erinnern uns daran, dass Vulkanismus nicht nur etwas böses, zerstörerisches ist. Vielmehr würde es unsere schönen Inseln und das süße Leben hier draußen im Atlantik ohne Vulkane und Erdbeben nicht geben. Und das wäre doch sehr schade, oder?

Guido Gottfried  (C) 2024

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